Grit Hintz
– Gartentherapeutin –
www.gartenundgesundheit.de

Was ist Gartentherapie? 

In der Gartentherapie werden Aktivitäten mit Pflanzen genutzt, um therapeutische Ziele zu  erreichen. 

Die positiven Wirkungen des Gärtnerns sowie von Naturerfahrungen auf Körper, Geist und  Seele werden gezielt eingesetzt und genutzt. 

Gartentherapie ist eine Methode, um das Wohlbefinden und die Gesundheit der Menschen  zu fördern, Pflanzen sind dabei das therapeutische Mittel.

Wie wirkt Gartentherapie?

Gartentherapie erreicht Menschen über die Sinne – eine aromatische Himbeere schmecken,  hören, wie der Regen auf die Blätter prasselt, das wunderbare Blau eines Rittersporns sehen,  die weichen Kätzchen der Weide fühlen, frische Zitronenmelisse riechen… Assoziationen und  Emotionen werden in Gang gesetzt. 

Gärtnern belebt und entspannt zugleich: Es gibt ständige Veränderungen in der Natur, der  Kreislauf von Werden und Vergehen rotiert permanent, eine Reizüberflutung aber bleibt aus.  Die meisten Menschen sind dann besonders glücklich, wenn sie sich eins fühlen mit der  Natur. Das übliche Gedankenkarussell kommt zur Ruhe. 

Gärtnern motiviert zu Aktivität und Bewegung durch sinnstiftende Tätigkeit und schult somit  Motorik, Koordination und Beweglichkeit. Vertraute Bewegungen fallen leichter und sehr  eindrucksvoll habe ich in meiner Tätigkeit erlebt, wie selbst körperlich sehr eingeschränkte  Menschen sich aufgerafft haben, um zu schauen, wie die frisch gesetzten Pflanzen wachsen,  wann die erste Tomate rot wird oder sogar eigenständig Pflegearbeiten übernommen haben. 

Beim Gärtnern entsteht ein Ergebnis (das Gesteck, die schöne Blüte, die selbst gemachte  Kräuterbutter…). Dies fördert das Erleben von Selbstwirksamkeit, steigert Selbstachtung und  erzeugt Anerkennung. Auch Pflanzen brauchen Pflege und hier sind die Menschen, die  normalerweise gepflegt werden, diejenigen, die die Betreuung übernehmen. Es findet ein  Perspektivwechsel vom zu Pflegenden zum Pfleger statt.

Gut angelegte Gärten erleichtern die örtliche Orientierung ihrer Nutzer. Aber auch die  zeitliche Orientierung wird durch das Erleben der Jahreszeiten sowie eines natürlichen Tag Nachtrhythmus gestärkt. 

Gärten schaffen Räume für Kreativität, Miteinander, Kommunikation und damit  Lebensfreude – Blumen, frisches Obst und Gemüse gibt es noch obendrauf. Wie stolz Aktive  auf ihr selbst zusammengestelltes Kräutersträußchen, die gestaltete Glückwunschkarte aus  gepressten Blüten oder die stimmige Pflanzenauswahl für den Kübel sind und die Aktionen  für Austausch und gemeinsame Erlebnisse sorgen, habe ich oft eindrucksvoll  wahrgenommen. 

Studien belegen, schon der Anblick von Pflanzen wirkt heilsam. Noch besser ist natürlich,  selbst aktiv zu werden. Therapeutische Maßnahmen wie Biographiearbeit oder  Gedächtnistraining erfolgen eingebettet in gärtnerische Tätigkeiten, fast wie nebenbei. 

Gartentherapie ist sehr individuell und flexibel einsetzbar. Im Idealfall gibt es einen Garten,  der genutzt werden kann. Aber auch in Innenräumen kann in Töpfen, Kübeln und  verschiedenen anderen Gefäßen „geackert“ werden. Die Möglichkeiten der Tätigkeiten sind  vielfältig: Von Aussaat über Pflege bis zur Ernte oder der Beschäftigung mit Zimmerpflanzen,  der Verarbeitung von Produkten (backen, kochen, Teeherstellung, Cremeherstellung) über die kreative, floristische Gestaltung mit Naturmaterialien, dem Einbinden des Naturschutzes bis zur künstlerischen Dimension (man kann Pflanzen malen, man kann aber auch mit Pflanzen malen – Stichwort Pflanzenfarbstoffe) usw.

Gartentherapie und Demenz

Alle diese Aspekte der Gartentherapie wirken natürlich auch bei Menschen mit Demenz, aber hier kommen noch weitere wichtige Punkte dazu.
Bei der Pflege von Menschen mit Demenz geht es nicht vorrangig um die Bekämpfung der Krankheit, sondern um die Erhaltung ihres Wohlbefindens. Menschen mit Demenz sind weniger über kognitive, verstandesorientierte Methoden zu erreichen, sondern über Sinnesreize, die Assoziationen und Emotionen in Gang setzen bzw. auch beruhigen. Die Ansprache der Menschen über die Sinne ist bei Demenz von ganz besonderer Bedeutung. Für alle weiteren wichtigen Komponenten beim Umgang mit Menschen mit Demenz, wie körperliche Betätigung, soziales Miteinander und Kommunikation, können sie der Schlüssel sein, sozusagen das Eingangstor. Hier ergeben sich wunderbare Anknüpfungspunkte für die Gartentherapie.
Für die meisten Menschen war der Garten, die Natur ein fester Bestandteil ihres Lebens. Gerade der Geruchssinn ist eng mit Gefühlen und Erinnerungen gekoppelt. Es entstehen Erinnerungsbrücken in die Vergangenheit – Biographiearbeit wird möglich. So ist es naheliegend, dass beim Umgang mit duftenden Wildkräutern, sofort die Nachkriegszeit mit der schwierigen Versorgungslage wach wird, in der sich viele mit Ersatzprodukten behelfen mussten. So habe ich erfahren: Löwenzahnsalat ist keine neue „Erfindung“, er stand schon damals bei einigen Menschen auf dem Speiseplan.
Ein Garten bietet unzählige Anknüpfungspunkte für Gespräche, wie das Schietwetter, die leckeren Kirschen, dass viel zu hohe Gras (fiel damals unter unordentlich- heute wissen wir, dass Wiesen einen unschätzbaren Wert für Insekten darstellen und ökologisch wertvoll sind), die Hummel an der Apfelbaumblüte usw… Das Bild über den Menschen mit Demenz erweitert sich und man kann seine Stimmung, seine Gefühlslage besser verstehen und entsprechen reagieren. Dabei können auch unbekannte Reize zum Einsatz kommen, wie die essbare Blüte, die man gemeinsam kostet, die Staunen, Unverständnis und evtl. auch negative Reaktionen hervorrufen. Wichtig ist es, im Gespräch und damit in Verbindung zu bleiben.
Grundlage ist, dass der Betreuer authentisch ist. Wenn für den Betreuer der Garten ein Betätigungsfeld ist, dass er mit Spaß und Freude beackert, ist die Chance groß, dass diese Stimmung auf den Menschen mit Demenz übergeht. Aufgesetzter Elan wird schnell durchschaut und kein Wohlbefinden hervorrufen.
Ein Garten bietet Motivation für Aktivierung. Wenn logische Argumente nicht helfen, um Menschen mit Demenz dazu zu bringen, aufzustehen und sich zu bewegen, dann ist es vielleicht der Hinweis auf die Pflanzen, die vertrocknen, wenn sie jetzt keinen Schluck Wasser bekommen. Gartentherapie kann durch die sinnvolle Tätigkeit Ablenkung vom täglichen Einerlei aber auch von Schmerzen bringen.
Vorteilhaft ist es, wenn Aktivitäten durch Mitarbeiter gesteuert und begleitet werden. Menschen mit Demenz können sich oft nicht mehr selbst in eine Gruppe einbringen. Sie benötigen dazu die sensible Hilfe von anderen Menschen, ansonsten kann es passieren, dass
sie sich einsam und unwohl in Gruppensituationen fühlen. Einfach dabei zu sitzen ist nicht immer ausreichend.

Gartengestaltung für Menschen mit Demenz

Generell ist es gut, wenn überhaupt die Möglichkeit für Menschen besteht, Gärten und damit Natur zu erleben. Insbesondere Menschen in Senioreneinrichtungen oder Pflegeeinrichtungen bietet der Garten eine Erweiterung ihres Lebensraumes und damit eine Verbesserung ihrer Lebensqualität.
Auf einige Aspekte, die dabei beachtet werden sollten, möchte ich an dieser Stelle hinweisen:
Pflanzen auszuwählen, die ganz besonders die Sinne ansprechen ist ein erster wichtiger Schritt. In diesem Zusammenhang fällt auch immer der Begriff Sinnesgarten. Hier sind Pflanzen zu finden die uns die Jahreszeiten erkennen lassen (z.B. Frühjahrsblüher, Sommerblumen, Pflanzen mit einer schönen Herbstfärbung, Sträucher die selbst im Winter blühen oder eine besondere Rinde aufweisen). In einem Sinnesgarten wachsen Pflanzen zum Naschen (Erdbeeren, Brombeeren, Erbsen…), Pflanzen die Insekten anziehen (z.B. Bienenweide, Schmetterlingsstrauch), Pflanzen die eine interessante Struktur / Oberfläche haben (z.B. Wollziest) und duftende Pflanzen wie Lavendel und Flieder. Es gibt es eine unerschöpfliche Palette möglicher Gewächse, jenseits von immergrünen Pflanzen, die, wenn sie ausschließlich zur Gartengestaltung genutzt werden, im Sommer wie im Winter ein immer gleiches Gartenbild ergeben. Giftige und stark allergene Gewächse sind natürlich zu vermeiden.
Ein barrierefreier Zugang trägt dem oft großen Bewegungsbedürfnis Rechnung. Der Garten sollte frei und ohne Begleitung erreichbar sein. Aus Gemeinschaftsräumen sollte ein schwellenloser Übergang nach draußen auf z.B. eine Terrasse (möglichst mit Schutz vor Sonne und Regen) und dann weiter in den Garten möglich sein.
Wege und Plätze sollten mindestens 1,50m breit sein, damit ein Fußgänger und ein Rollstuhlfahrer nebeneinander Platz haben. Der Untergrund sollte fest und eben sein, da die Nutzer oft auf Rollatoren und Rollstühle angewiesen sind. Bei der Wegegestaltung empfiehlt es sich, dass jeder Weg zum Haus und Seitenwege zum Hauptweg zurückführen. Sackgassen und abrupte Richtungsänderungen sind zu vermeiden.
Der Garten sollte gegliedert und übersichtlich angelegt sein, vom Gebäude aus sollte es möglich sein, die Aktivitäten im Garten im Großen und Ganzen zu verfolgen. Gleichzeitig sind aber auch Rückzugsmöglichkeiten durch geschützte Sitzgelegenheiten hinter niedrige Hecken, Pergolen usw. einzuplanen. Auch Raum für Aktivität z.B. an Hochbeeten wertet so ein Gelände enorm auf.
Andere vertraute und sinnanregende Gestaltungselemente wie Vogelhäuser, Vogeltränke, Brunnen, Skulpturen, besondere Pflanzen, andere regionale Elemente wie z.B. ein Strandkorb, die eventuell auch einen biographischen Bezug haben, werden zur Nutzung des Gartens einladen.
Ganz wichtig ist auch eine sichere äußere Begrenzung, möglichst ohne das Gefühl, eingesperrt zu sein. Gegebenenfalls können Zäune und Mauern berankt werden. Ein weiter Blick in die Landschaft kann auch wohltuend und entspannend sein. Bietet das Gelände solche Ausblicke in die Ferne, sollte mit einem entsprechend gestalteten Zaun Rechnung getragen werden.